.png)
"Aktienrechtsreform per 1.1.2023: Ausgewählte Änderungen für nicht kotierte Gesellschaften" von Dr. Christoph Neeracher, Dr. Luca Jagmetti und Elisabeth Rinderknecht am 28. Februar 2023
Wie teilweise bereits bekannt sein dürfte, ist per 1. Januar 2023 das neue Aktienrecht in Kraft getreten. Dessen Auswirkungen für die Praxis nicht kotierter Gesellschaften sind weniger bedeutsam als ursprünglich erwartet, jedoch bringt es einige administrative Vereinfachungen mit sich.
Die wichtigste Änderung für die Praxis nicht kotierter Gesellschaften betrifft u.E. die Möglichkeit, Beschlüsse der Generalversammlung sowie des Verwaltungsrates auf dem Zirkularweg in schriftlicher und insbesondere elektronischer Form zu fassen.
ZIRKULARBESCHLÜSSE DER GENERALVERSAMMLUNG BZW. DES VERWALTUNGSRATES:
Seit dem 1. Januar sind Zirkularbeschlüsse der Generalversammlung der Aktiengesellschaft zulässig, d.h. Beschlüsse können ohne Abhalten von Sitzungen gefasst werden. Nebst schriftlichen Beschlüssen (d.h. wet-ink Unterschrift bzw. qualifizierte elektronische Signatur) sind auch Beschlüsse in elektronischer Form zulässig, bspw. via E-Mail, Whatsapp oder ähnlicher Medien, was in der Praxis eine erhebliche Vereinfachung mit sich bringen kann. Zirkularbeschlüsse des Verwaltungsrates waren schon unter altem Recht möglich, allerdings nur in schriftlicher Form – neu ist auch die elektronische Form explizit zulässig.
Werden Zirkularbeschlüsse gefasst, ist u.E. eine Beschlussfassung via E-Mail (mit allen Stimmberechtigten im Verteiler) die praktikabelste Variante. Je nach Konstellation des Aktionariats bzw. Verwaltungsrates kann auch eine Beschlussfassung via Whatsapp Sinn machen; diesfalls empfehlen wir, eine Whatsapp-Gruppe mit sämtlichen Aktionären bzw. Mitgliedern des Verwaltungsrates zu erstellen und Zirkularbeschlüsse jeweils in diesem Rahmen zu fassen (eine separate Gruppe kann insb. verhindern, dass sachfremde Konversationen des Alltags zwischen den Aktionären bzw. Mitgliedern des Verwaltungsrates mit relevanten Beschlüssen vermischt werden). Selbstverständlich ist je nach Gegenstand des Beschlusses im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Zirkularbeschluss Sinn macht oder vielmehr ein mündlicher Austausch unter den Aktionären bzw. im Verwaltungsrat und damit eine Sitzung (physisch, virtuell oder hybrid) angezeigt ist.
Zu beachten ist, dass jeder Aktionär bzw. jedes Mitglied des Verwaltungsrates jederzeit bis zum Zustandekommen des Zirkularbeschlusses eine mündliche Beratung verlangen kann; diesfalls ist eine Beschlussfassung auf dem Zirkularweg für den relevanten Gegenstand nicht mehr möglich – der Form des Zirkularbeschlusses müssen also alle Aktionäre bzw. Mitglieder des Verwaltungsrates zustimmen. In der Sache bedürfen Zirkularbeschlüsse jedoch keiner Einstimmigkeit, es muss lediglich das relevante Quorum gemäss anwendbarem Recht erfüllt werden (d.h. gemäss Gesetz, Statuten, Organisationsreglement und ggf. ABV).
Zu beachten ist weiter, dass auch Zirkularbeschlüsse der gesellschaftsrechtlichen Aufbewahrungspflicht von mind. 10 Jahren unterliegen. Eine physische Aufbewahrung ist hierfür nicht vorgeschrieben, sodass im Grundsatz auch automatische Back-ups des E-Mail-Servers oder von Whatsapp Chats (sofern diese auf einem Geschäftsmobiltelefon gespeichert sind) die Voraussetzungen an die Aufbewahrungspflicht erfüllen können. Im Falle von Zirkularbeschlüssen via Whatsapp empfehlen wir, zusätzlich Print Screens der relevanten Beschlüsse an geeigneter Stelle separat abzuspeichern. Zirkularbeschlüsse via E-Mail sollten idealerweise in einem separaten Unterordner im E-Mail-Posteingang abgelegt werden.
WEITERE BESCHLUSSFORMEN:
Nebst Zirkularbeschlüssen sind weitere Formen der Beschlussfassung der Generalversammlung bzw. des Verwaltungsrates im OR neu geregelt worden. So sind neu alle nachfolgenden Formen einer Generalversammlung bzw. Sitzung des Verwaltungsrates zulässig:
- Physische Sitzung (d.h. mit Tagungsort) – wie bisher. Ein Tagungsort im Ausland benötigt eine Grundlage in den Statuten
- Sitzung mit mehreren Tagungsorten
- Rein virtuelle Sitzung (d.h. ohne Tagungsort) – benötigt eine Grundlage in den Statuten
- Hybride Sitzung (elektronische Stimmabgabe bei Sitzung mit Tagungsort)
Wir empfehlen grundsätzlich, die Statuten der Gesellschaft um die Möglichkeiten einer rein virtuellen Generalversammlung und Generalversammlung mit Tagungsort im Ausland zu ergänzen, da diese in der Praxis einige Flexibilität mit sich bringen können.
Die Verwendung elektronischer Mittel werden jeweils vom Verwaltungsrat geregelt, wobei dieser sicherstellen muss, dass (i) die Identität der Teilnehmer feststeht, (ii) die Voten in der Sitzung unmittelbar übertragen werden, (iii) jeder Teilnehmer Anträge stellen und sich an der Diskussion beteiligen kann und (iv) das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann.
Zu beachten ist, dass die Protokollierungspflicht betreffend Generalversammlungen mit dem neuen Recht erweitert wurde – Mindestinhalt: (i) Datum, Beginn und Ende sowie Art und Ort der Generalversammlung, (ii) Anzahl, Art, Nennwert und Kategorie der vertretenen Aktien, unter Angabe der Aktien, die vom unabhängigen Stimmrechtsvertreter, von den Organstimmrechtsvertretern oder von Depotvertretern vertreten werden, (iii) Beschlüsse und Wahlergebnisse, (iv) in der GV gestellte Begehren um Auskunft und die darauf erteilten Antworten, (v) von den Aktionären zu Protokoll gegebene Erklärungen; (vi) relevante technische Probleme, die bei der Durchführung der GV auftreten.
ERHÖHTE FORMERFORDERNISSE:
ELEKTRONISCHE ZIRKULARBESCHLÜSSE, DIE DEM HANDELSREGISTER EINZUREICHEN SIND:
Was in der Praxis bedauerlicherweise zu einer Einschränkung der oben erwähnten praktischen Erleichterungen durch Zirkularbeschlüsse führt ist die Tatsache, dass die kantonalen Handelsregisterämter rein elektronische Zirkularbeschlüsse der Generalversammlung sowie des Verwaltungsrates aktuell (noch) nicht akzeptieren: Sie verlangen ein sog. Erwahrungsprotokoll, welches den auf elektronischem Weg gefassten Zirkularbeschluss bestätigt und vom Protokollführer und Vorsitzenden schriftlich (d.h. wet ink bzw. mit qualifizierter elektronischer Signatur) unterzeichnet wird. Die konkret zu erfüllenden Anforderungen an den Inhalt und die Form dieses Erwahrungsprotokolls variieren je nach Handelsregisteramt und sind daher noch unklar. Positiv ist jedoch, dass gemäss Information der meisten Handelsregisterämter lediglich das Erwahrungsprotokoll einzureichen ist und eine Kopie des eigentlichen elektronischen Beschlusses (Ausdruck E-Mail, Print Screen Whatsapp etc.) nicht mit eingereicht werden muss. Damit kann verhindert werden, dass E-Mail-Adressen, Telefonnummern etc. der Aktionäre und Mitglieder des Verwaltungsrates als Handelsregisterbelege öffentlich bekannt werden. Beschlüsse der Generalversammlung, die dem Handelsregister eingereicht werden müssen, betreffen typischerweise die Wahl von Verwaltungsräten oder der Revisionsstelle. Beschlüsse des Verwaltungsrates, die dem Handelsregister eingereicht werden müssen, betreffen typischerweise die Änderung der Zeichnungsberechtigungen.
BEURKUNDUNGSPFLICHTIGE GENERALVERSAMMLUNGEN BZW. SITZUNGEN DES VERWALTUNGSRATES:
Ob und unter welchen Voraussetzungen die notarielle Beurkundung von virtuellen Generalversammlungen bzw. Sitzungen des Verwaltungsrates (bspw. betreffend Statutenanpassungen, Kapitalerhöhungen) möglich ist, hängt vom kantonalen Recht ab. Die diesbezügliche Praxis der Kantone ist noch nicht gefestigt. Die Beurkundung virtueller Sitzungen ist zumindest bereits möglich im Kanton Zug, Zürich, Aargau, Luzern und Bern. Ein Zuger Notar kann daher eine virtuell stattfindende Generalversammlung oder Sitzung des Verwaltungsrates aller Schweizer Gesellschaften unabhängig von deren Sitz und unabhängig vom Aufenthaltsort der teilnehmenden Aktionäre bzw. Mitglieder des Verwaltungsrates beurkunden.
Inwiefern schriftliche und/oder elektronische Zirkularbeschlüsse notariell beurkundet werden können, ist in Lehre und Praxis noch nicht geklärt, wobei wir hier ebenfalls kantonal unterschiedliche Regelungen erwarten.
Wie erwähnt stellen u.E. die oben erwähnten Änderungen im praktischen Alltag die bedeutsamsten Änderungen für nicht kotierte Gesellschaften dar. Es gibt natürlich einige weitere relevante Änderungen aufgrund des neuen Aktienrechts (bspw. betreffend Zwischendividenden, Kapitalband, Aktionärs-/Minderheitsrechte etc.) – gerne verweisen wir hierfür auf unsere Präsentation, welche diese aufgreift.